Wissenschaftliche Hintergründe

In Fachkreisen wird der Rückgang der Insektenpopulationen seit Jahrzehnten beobachtet und ist mittlerweile in zahlreichen wissenschaftlichen Studien beschrieben, mit Daten belegt ( vgl. HABEL et al. 2016, HALLMANN et al. 2017, GATTER et al. 2020, FARTMANN et al. 2021) und wurde zu einem großen und wichtigen Thema unserer Zeit. Vor dem Hintergrund des massiven Rückgangs der Biodiversität in Deutschland und den damit verbundenen ökosystemaren Auswirkungen ist es wichtig, insektenfreundliche Lebensräume auch im urbanen Raum zu erhalten und zu fördern, da Insekten zahlreiche Funktionen im Ökosystem erfüllen, u.a. als Destruenten und Pflanzenbestäuber. Als essenzielle Glieder der Nahrungskette haben Insekten direkte Wirkungen auf die Populationen von Vögeln, Säugetieren, Amphibien und Fischen. Schwindet die Anzahl an Insekten, so hat dies direkte Auswirkungen auf die abhängigen Arten in der Nahrungskette.

Für die Bestäubung von Pflanzen sind u.a. Hautflügler (z.B. Wildbienen als die bekanntesten Vertreter) von großer Bedeutung.  Hautflügler sind mit 9.625 nachgewiesen Arten sind diese die artenreichste Insektengruppe in Deutschland (DATHE & BLANK 2004). Hautflügler werden in zwei Unterordnungen unterschieden, die Pflanzenwespen (Symphyta) mit 754 Arten (LISTON et al. 2011) und die deutlich größere Gruppe der Taillenwespen (Apocrita). Zur Unterordnung der Taillenwespen gehören Legimmen, u.a. mit Brackwespen, Zehrwespen, Schlupfwespen, Gallwespen; sowie die Stechimmen mit bekannteren Artengruppen wie den Wildbienen (Apidae) mit 561 Arten, den Wespen (Vespinae) mit 61 Arten oder den Ameisen (Formicidae) mit 116 Arten (BINOT-HAFKE et al. 2011). 

Pflanzenwespen (Hautflügler)
Grabwespen (Hautflügler)
Wildbienen (Hautflügler)

Wildbienen nehmen eine besondere Rolle ein, da sie neben Nektar von den Blütenpflanzen gezielt Pollen sammeln und dabei gleichzeitig als Bestäuber fungieren. Aufgrund dieser Wechselbeziehung haben sich im Laufe der Evolution etwa ein Drittel unserer Wildbienenarten auf eine einzige Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung spezialisiert (=oligolektische Arten). Nektar sammeln sie auch an anderen Pflanzen, die Pollen aber brauchen sie zur Versorgung ihrer Bruten. Aber auch Schwebfliegen (Syrphidae) mit 463 etablierten Arten in Deutschland (SSYMANK et al. 2011) spielen neben den Hautflüglern eine große Rolle bei der Bestäubung von Blüten, da die meisten Arten viele verschiedene Pflanzenarten besuchen. Wie bei den Wildbienen gibt es jedoch auch wählerische Arten, die bevorzugt Pflanzen einer Gattung, einer bestimmten Blütenfarbe oder -form besuchen.

Schwebfliegen

Insekten haben einen speziell an den jeweiligen Lebensraum angepassten Lebenszyklus entwickelt, der nach Gattung oder Art an bestimmte Parameter gebunden ist. So ist z.B. für fast alle Tagfalter die Struktur des Habitats mit seinen Nahrungspflanzen für Raupen und Imagines in Verbindung mit Stör- und Sonnstellen, Paarungs- und Balzplätzen ein entscheidender Faktor bei der Besiedelung vorhandener und neuer Lebensräume (EBERT & RENNWALD 1993). Ein wichtiger Aspekt bei der Suche nach geeigneten Habitaten ist u.a. die Vegetationsstruktur und der phänologische Zustand der Nahrungspflanzen. Bei den Heuschrecken wiederum beruht die Bindung an ein bestimmtes Habitat in erster Linie auf deren spezifischen Ansprüchen an das Mikroklima und die Vegetationsstruktur. Nahrungsansprüche spielen eine eher untergeordnete Rolle. Im Vergleich zu Tagfaltern sind sie nur selten an bestimmte Pflanzengattungen gebunden; in der Regel ernähren sie sich unspezifisch von Gräsern oder leben räuberisch. Wildbienen dagegen sind räumlich und zeitlich von ihren Futterpflanzen bzw. geeigneten Nahrungshabitaten und einer ausreichenden Anzahl an Nistmöglichkeiten abhängig. Im Gegensatz zu polylektischen Wildbienen (sammeln Pollen von Pflanzen verschiedener Familien) finden oligolektische Arten (Bindung an bestimmte Pflanzenarten) in der Landschaft deutlich schwieriger geeignete Nahrungshabitate mit benötigten Pollenquellen in erreichbarer Distanz zu ihren Bruthabitaten

Insekten haben sich jedoch nicht nur an bestimmte Pflanzenarten angepasst, sondern sind oft auch auf regional unterschiedlich ausgeprägte Merkmale einer Art eingestellt. Dabei haben sie ihren Lebenszyklus mit den örtlich vorkommenden Pflanzen synchronisiert. Diese regionalen Aus­prägungen der Arten finden sich auch in der genetischen Ausprägung wieder, z.B. in der Morphologie und der zeitlichen Entwicklung. Insbesondere um jenen spezialisierten Insekten Nahrungsquellen zu bieten, ist die Verwendung von gebietseigenen standorttypischen Wildpflanzen für Aussaat und Pflanzungen zu bevorzugen. Zudem sind gebietseigene Pflanzen an die jeweiligen Standortverhältnisse des Naturraums mit Klima, Höhenlage, Boden usw. besonders gut angepasst, da sie sich über viele Generationen entwickeln konnten. Die Verwendung von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut erhöht die Chancen auf Langlebigkeit der Mischung. Sind regionale Pflanzenarten an ihren jeweiligen Standort gut angepasst, zeigen sie mehr Vitalität als Pflanzen fremder Regionen (DURKA et al. 2019). Artenreiche gebietseigene Saatmischungen zeigen zudem bessere Etablierungsraten nach der Aussaat (SOMMER & ZEHM 2021), da sie an die Boden-, Wasser- und Klimaverhältnisse der jeweiligen Herkunftsregion optimal angepasst sind und meist weniger empfindlich auf Umweltveränderungen reagieren (BFN 2022)